18.07.2016

Im Jubiläumsjahr 2014 ist bei Bahlsen eine Menge passiert.

Interview mit Werner M. Bahlsen.

Im Jubiläumsjahr 2014 ist bei Bahlsen eine Menge passiert. Herr Bahlsen, woher stammt dieser große Wille zur Veränderung?

Werner M. Bahlsen: Ein Unternehmen muss sich grundsätzlich immer verändern und weiterentwickeln, wenn es überleben will. Und wenn man 125 Jahre alt ist, muss man viel tun, um jung zu bleiben. Sie beide, Frau Brosius und Herr Roszak, sind ja gute Beispiele für unsere jungen Nachwuchstalente, die Bahlsen in die Zukunft begleiten.

Frau Brosius, Herr Roszak, was schätzen Sie besonders an Bahlsen?

Niklas Roszak: Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren als Auszubildender bei Bahlsen und mache dieses Jahr meine Abschlussprüfung. Ich kann sagen, dass man hier sehr viel mitnimmt, auch über die reinen Ausbildungsinhalte hinaus. Zum Beispiel war ich mit im Werk, also direkt an der Produktion, und auch ganz nah an den Produktionsmaschinen, was natürlich sehr spannend ist. Demnächst habe ich die Gelegenheit, an einer Lieferantenfahrt teilzunehmen. Die Auszubildenden aus dem zweiten Lehrjahr fahren dann mit zu einem Hersteller oder Lieferanten und können einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Laura Brosius: Das kann ich nur bestätigen. Ich bin seit einem drei viertel Jahr im Unternehmen und konnte in dieser Zeit bereits ein weites Feld an Tätigkeiten kennenlernen. Ich habe eigenständig arbeiten können und durfte Verantwortung übernehmen. Das finde ich als Berufsanfänger toll. Was mich auch sehr beeindruckt, sind die kurzen Entscheidungswege. Wenn man direkt so stark in alles eingebunden wird, fällt es einem viel leichter, Verantwortung zu übernehmen und über den Tellerrand der eigenen Abteilung hinwegzuschauen.

Bietet Bahlsen jungen Leuten genügend Freiräume, um sich sowohl beruflich als auch privat zu entwickeln?

Niklas Roszak: Ich kann mir sehr gut vorstellen, später bei Bahlsen zu arbeiten. Erst einmal möchte ich aber nach meiner Ausbildung mein Wissen im akademischen Bereich weiter ausbauen. Dadurch erhoffe ich mir größere Entwicklungschancen.

Werner M. Bahlsen: Dem kann ich nur bedingt zustimmen, da sich bei Bahlsen immer wieder neue Möglichkeiten und Gelegenheiten auftun. Falls Sie im Anschluss an Ihre Ausbildung einen Hochschulabschluss anstreben, kann man sicherlich auch über ein duales Studium reden. Wir sind offen für solche Lösungen, denn letztlich sind wir als Unternehmen immer auf motivierten und gut ausgebildeten Nachwuchs angewiesen.

Wie schafft es Bahlsen, dass alle Mitarbeiter den Weg zu mehr Nachhaltigkeit mitgehen?

Werner M. Bahlsen: Es ist eine große Herausforderung, jeden einzelnen von einer Idee zu überzeugen und zu mobilisieren. Aber diese Herausforderung nehmen wir gerne an. Auch hier setzen wir große Hoffnung in unsere Auszubildenden und die jungen Mitarbeiter: Diese bilden wir zu Nachhaltigkeitsbotschaftern aus, um das Thema aus ihrer Perspektive in das Unternehmen hineinzutragen. Nachhaltigkeit ist inzwischen auch Teil unseres Weiterbildungsangebotes.

Niklas Roszak: Ich als Mitarbeiter empfinde es so, dass Nachhaltigkeit in den Werken bereits einen hohen Stellenwert hat, der noch weiter zunimmt. Dort wird sehr genau darauf geachtet, dass Verschwendung vermieden wird. Dadurch ist jeder Mitarbeiter in der Produktion direkt in die Nachhaltigkeit eingebunden. Schon Kleinigkeiten bewirken in der Summe Großes: etwa Schilder an den Lichtschaltern mit dem Hinweis, beim Verlassen des Raumes das Licht zu löschen.

Laura Brosius: Ich esse jeden Tag bei uns im Stammhaus in der Kantine und ich muss sagen, die ist wirklich außergewöhnlich. Dort gibt es größtenteils regionale und saisonale Produkte.

Werner M. Bahlsen: Die Idee bei der Kantine war: Wir erwarten von unseren Mitarbeitern qualitativ hochwertige Arbeit, da wir qualitativ hochwertige Produkte herstellen. Also müssen wir ihnen auch ein entsprechend gutes Essen bieten, auch wenn das vielleicht etwas mehr kostet als der Standard.

Welchen Einfluss hat eigentlich die Führungsebene bei dem Thema Nachhaltigkeit? Was können Mitarbeiter tun, um das Thema weiter voranzutreiben?

Werner M. Bahlsen: Aus meiner Sicht ist es unglaubwürdig, Nachhaltigkeit zu propagieren und dann Entscheidungen nicht nach diesem Grundsatz zu treffen. Die Führungsebene muss voll hinter dem Thema stehen. Sie muss Nachhaltigkeit vorleben und bei Entscheidungen einfließen lassen, auch wenn es vielleicht in dem Moment mehr kostet. Vielleicht ist der Bezug für die Mitarbeiter im Werk einfacher, da man dort mit Rohstoffen umgeht. Für die Mitarbeiter, die hauptsächlich im Büro arbeiten, ist dies vielleicht etwas schwerer. Aber auch im Stammhaus haben wir natürlich Verbräuche: Strom, Wasser, Papier. Hier könnte man noch mehr erreichen, indem man den Mitarbeitern mit konkreten Beispielen Einsparmöglichkeiten aufzeigt.

Frau Fleckenstein, setzt Bahlsen Ihrer Meinung nach die richtigen Schwerpunkte?

Martina Fleckenstein: Bahlsen hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Nachhaltigkeitsthematik auseinandergesetzt und konkrete Maßnahmen wie etwa die Zertifizierung von Kakao ergriffen. Wir begrüßen dies sehr. Außerdem setzt Bahlsen auf Transparenz bei der Beschaffung von Rohstoffen. So ist die Entscheidung von Bahlsen, nur noch Eier aus Bodenhaltung zu nutzen, ein guter wichtiger Schritt, aber noch besser wäre es, wenn auch garantiert werden könnte, dass die Hühner entweder mit heimischen Futtermitteln oder mit Soja ohne Gentechnik gefüttert würden.

Inzwischen wissen viele Verbraucher, dass der Anbau von Rohstoffen wie Palmöl oder Kakao mit sozialen und ökologischen Problemen behaftet ist. Wie reagiert Bahlsen auf Kritik?

Werner M. Bahlsen: Ich denke, dieser Punkt ist sehr wichtig. Man hat als Unternehmen die Verantwortung dafür, woher man seine Rohstoffe bezieht. Hier sollte man sich kundig machen, um wirkliche Einblicke in die Produktion zu gewinnen, und zwar vor Ort. Meine Mitarbeiter und ich sehen uns regelmäßig die Anbaugebiete von Kakao und Palmöl an. Können wir deswegen einhundertprozentig sicher sein, dass alles sauber ist und fair abläuft? Sicher nicht - das entbindet uns aber nicht von unserer Verantwortung, uns direkt einzumischen und zu erkunden, wie die Zustände vor Ort sind.

Frau Fleckenstein, Sie waren mit Herrn Bahlsen in Malaysia, um sich den kleinbäuerlichen Anbau von Palmöl im Ursprung anzuschauen - mit welchen Erwartungen sind Sie dorthin gefahren?

Martina Fleckenstein: Es ist von Deutschland aus immer leicht zu sagen: Wir arbeiten mit Kleinbauern zusammen. Die Praxis sieht da wesentlich schwieriger aus. Da hängen längere Lieferketten dazwischen und auch schwierige Strukturen vor Ort. Aber grundsätzlich sind unsere Erwartungen erfüllt worden. Wir haben ein Projekt besucht, das für eine Zusammenarbeit gut geeignet erscheint. Außerdem haben wir in Malaysia mit Wild Asia einen sehr guten und zuverlässigen Partner kennengelernt, mit dem wir jetzt gemeinsam auf die Suche nach geeigneten Kleinbauern gehen.

Welche sind die hauptsächlichen Konfliktfelder in Malaysia?

Martina Fleckenstein: Aus unserer Sicht entstehen Konflikte immer dann, wenn es um die Ausweisung neuer Flächen für den Palmölanbau geht. Häufig werden Konzessionen vergeben, ohne dass vorher geprüft wurde, ob wertvolle Lebensräume etwa für Orang-Utans betroffen sind oder ob Flächen für den Anbau ausgewiesen werden, die bisher von der lokalen Bevölkerung für den Anbau von Feldfrüchten und damit Nahrungsmitteln genutzt wurden. Der WWF setzt sich daher dafür ein, dass bei der Erstellung von Landnutzungsplänen die lokalen Gemeinden

einbezogen und Daten über das Vorkommen seltener Tierarten bzw. wertvoller Lebensräume berücksichtigt werden.

Der WWF ist in der Vergangenheit wegen seiner Nähe zur Industrie in die Kritik geraten. Frau Fleckenstein, welche Positionen vertreten Sie grundsätzlich angesichts der Palmöl-Problematik?

Martina Fleckenstein: Weil die wachsende Nutzung von Palmöl zur Rodung tropischer Wälder beiträgt, hat der WWF 2004 den Roundtable on Sustainable Palmoil (RSPO) ins Leben gerufen. Die Mitglieder sind auf verschiedene Weise in die Palmölproduktion involviert oder von ihr betroffen: Palmöl-Anbauer, Händler, Konsumgüterhersteller, Banken sowie Nichtregierungsorganisationen wie der WWF und Oxfam. Ziel des runden Tisches ist es, möglichst viele zur Einhaltung der Mindeststandards zu bewegen. Der RSPO ist also kein Öko- Label. Er signalisiert, dass auf den Plantagen freiwillig mehr für Naturschutz und Menschenrechte getan wird, als gesetzlich vorgeschrieben. In Entwicklungs- und Schwellenländern wie Indonesien und Malaysia ist das ein wichtiger erster Schritt. Doch selbst in Deutschland sind nur etwa 30 % des importierten beziehungsweise genutzten Palmöls zertifiziert. Der große Rest wird genutzt, ohne dass die Einhaltung von Mindeststandards gewährleistet ist. Und bei aller Kritik am RSPO: Nichts tun ist auch keine Lösung. Und: die Hälfte des zertifizierten Palmöls wird bisher gar nicht verkauft - ein Argument, das die Produzenten uns immer wieder vorhalten, wenn wir strengere Kriterien durchsetzen wollen. Ein erster Schritt in Deutschland ist das Forum Nachhaltiges Palmöl, das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), WWF und Unternehmen ins Leben gerufen wurde. Bahlsen ist hier ein wichtiger und aktiver Partner.

Wird es für Unternehmen wie Bahlsen in absehbarer Zeit Alternativen zu dem begehrten Rohstoff geben?

Martina Fleckenstein: Wir haben gerade zu diesem Thema eine Studie in Auftrag gegeben. Für die gleiche Menge Öl benötigen Sojapflanzen zum Beispiel sechs Mal mehr Fläche als Ölpalmen - man würde die Problematik nicht nur in andere Anbaugebiete verlagern, sondern wegen des höheren Flächenbedarfs auch noch verschlimmern. Aus diesem Grund sehen wir den wichtigsten Ansatz in ökologisch verträglichen Anbaumöglichkeiten. Was man bei Palmöl auch nicht vergessen darf: Der Anbau bildet den Lebensunterhalt vieler Bauern und sichert Arbeitsplätze.

Wie wichtig ist es denn für die jüngere Generation, welche Rohstoffe in einem Keks stecken? Schauen Sie da genau hin?#

Laura Brosius: Ich achte sehr darauf, egal in welchem Bereich. Ob es da jetzt um die Eier aus Bodenhaltung geht oder um das Gemüse oder auch das Fleisch, welches ich kaufe. Ich finde, mit dem Wissen, das heute für alle verfügbar ist, kann man das nicht ignorieren.

Niklas Roszak: Ich achte privat auch sehr auf das, was ich einkaufe. Wenn man jetzt speziell auf das Thema Keks eingeht: Ich finde es gut, dass Bahlsen bei wichtigen Rohstoffen auf zertifizierte Ware umstellt. Ich persönlich finde sowohl Naturals auch Tierschutz sehr wichtig.

Einmal in die Zukunft geschaut: Welche Themen werden morgen besonders kritisch werden?

Werner M. Bahlsen: Für Bahlsen ist der Prozess des nachhaltigen Wirtschaftens nicht mit der Erlangung eines Zertifikats erledigt. Wir denken diesen Prozess ganzheitlich und wissen, dass er immer weiter geht. Es gibt noch genügend Rohstoffe, auf die wir noch nicht so tief eingegangen sind wie bspw. auf Kakao oder Palmöl. Das wollen wir schrittweise weiterentwickeln. Und auch bei den eigenen Produkten lernen wir immer wieder dazu, genau wie beim Verbraucherverhalten oder den Ernährungsgewohnheiten. Unser Ansatz bei alledem ist, dort hinzuschauen, wo es vielleicht wehtut, und Widersprüche zu benennen, wenn sie existieren. Damit wollen wir als Unternehmen glaubwürdig bleiben. Nachhaltigkeit ist ein Lernprozess, der bei uns noch lange nicht zu Ende ist.